Das Rittertum
Das im 9. Jh. in Frankreich entstandene abendländ. Rittertum entwickelte ein Ethos, in dem kriegerisch aristokratische und christliche Elemente miteinander verschmolzen waren. Die spezifisch ritterlliche Frömmigkeit war an der der Klöster orientiert, zu denen die weltlichen Aristokratie in jeder Hinsicht enge Beziehungen pflegte. Im 12. Jh. wurden zur Verteidigung und Ausbreitung des Christentums die geistlichen Ritterorden gegründet, die fortan allen westlich-esoterische Organisationen als Vorbild diensten.
Die Kreuzzugsepoche machte den Krieg, der das eigentliche Metier der Ritter war, vollends zu einer christlichen Angelegenheit und integrierte das Rittertum stärker in das christliche Gemeinschaftsleben, ohne dass es vollends in die Kirche integriert und von ihr kontrolliert worden wäre. Das Rittertum repräsentiert eine Art christliche Säkularismus, der gleichwohl auch an heidnische Vorstellungen partizipierte, insbesondere an heroischen Traditionen der germanischen Völker, wie sie in den Romanen Chretiens de Troyes verarbeitet werden.
Die Auffassung des Rittertum als religiösen Dienstes dokumentiert die Legende vom Gral, in der die Wege und Abenteuer der fahrenden Ritter und zum Gleichnis für die mystischen Suche nach der
Einheit mit Gott wird. Die geistlichen Orden pflegten Riten, Symbole und Regularien, die ihre bündische Gemeinsamkeit auf der Grundlage ganz bestimmter Ideale und Tugenden (Tapferkeit,
Vasallentreue, Freigebigkeit, Höfischkeit und Freimütigkeit) unterstrichen. Die ritterliche
Schwertleite, d.h. der feierlich vollzogene Weiheakt, der jemanden zum Ritter schlug, ist ein Ritual der Initiation, wie es für esoterische Vereinigungen charakteristisch ist. In seinem Libre del ordre del eavaylaria (Buch vom Ritterstand) betont Llull die weltlichen Aufgaben des Ritters, die er aus einer christlliche, nicht aber klerikalen Haltung heraus erledigen soll. Dazu gehört der Dienst an einem weltlichen Herrn, zu dem auch die Wahrnehmung von Ämtern gehört. Seine Wehrhaftigkeit soll er in den Dienst all jener stellen, die ihrer bedürfen, wie insbesondere der Schwachen, Witwen und Waisen.
Von seiner Burg aus soll er die Landstraßen schützen und Missetäter verfolgen. Das Rittertum war Hauptrepräsentant der höfischen Kultur des Mittelalters, in dem die Minne als religiöserotischer
Dienst eine große Rolle spielte. Über welche Quellen es derartiges, von der Kirche abgelehntes
Sondergedankengut aufnahm, das sie zu wichtigen Trägern esoterischer Ideen machte, ist nicht geklärt. Auffällig allerdings ist im 12. Jh. die Nähe ritterliche Schichten zu den Katharern.
Ferner muss ein Zusammenhang mit den mittelalterlichen Zünften und Gilden erwogen werden,
die seit dem 12. Jh. ebenfalls eigenständige Organisationen bildeten. Die umfangreichen Bautätigkeiten, die von den Ritterorden ausgingen, könnten eine Berührung des Rittertum mit Traditionen gebracht haben, aus denen später die Freimaurer hervorgingen.
Esoteriker schreiben die entscheidende Zwischenstellung den Templern zu. Auch im Rahmen des Islam hat sich ein religiöses Rittertum mit engen Beziehungen zur -» Shi'a und zur -» Sufik entfaltet. Der arab. Begriff »futuwwa« (wörtl. »Jugendlichkeit«) umfasst nahezu dieselben
Tugenden wie das christlich-abendländische Ritterideal. Diese werden für die Ausübenden
verschiedener Handwerke, also des Textilwebers ebenso wie des Kämpfers, geltend gemacht,
die damit ihre tägliche Arbeit als religiösen Dienst ansehen konnten. Nach dem
shi'it. Propheten Ali wurde insbesondere Salman al-Farisi als Meister der Futuwwa angesehen.
Von ihm ist bekannt, dass er enge Kontakte zu Handwerkskreisen im Irak unterhielt.